Die roten Gummistiefel

Ich glaube, am Anfang ist es vor allem wichtig, einen Menschen zu finden, dem man vertraut und mag. Wenn dieser einen liebevoll und behutsam an das Cello heranführt, ist der beste Grundstein gelegt.

Ich muss etwa 8 Jahre alt gewesen sein. Meine Mutter machte mit Freunden im Wohnzimmer Musik und wir Kinder spielten im Garten. Irgendwann reichte es. Zielstrebig steuerte ich auf die Terrassentür zum Wohnzimmer zu.

„Nee, nee, Fräuleinchen – erst mal Schuhe aus!“ An meinen Gummistiefeln hingen dicke Erdklumpen, die schwerer waren als die Stiefelchen selbst.

Oben, auf der Treppenstufe stehend stemmte ich meine Ferse in den Schuhen gegen die Kante und schmierte den Matsch beim Abstreifen der Stiefelchen an die braun-weiß gepunktete Treppenkante. So lange, bis die Schuhe nachgaben und nach unten plumpsten. Den Ton von damals, beim Aufdrücken der Terrassentür hab ich noch im Ohr, den Klang der Instrumente nicht mehr.

Ich weiß nur noch, dass das größte der Instrumente direkt an der Tür saß. Und dahinter eine Frau mit langen braunen Haaren. „Ich will auch mal. Darf ich mal ausprobieren?“ – „Erst Händewaschen. Mit den Schmierhänden nicht.“ Wahrscheinlich rannte ich zum Waschbecken. Die Art, mich fortzubewegen, bestand damals größtenteils aus Rennen.

An meine ersten Versuche auf dem Cello kurz später erinnere ich mich nicht. Nur, dass ich die Frau, die meine erste Cellolehrerin werden würde später hörte, als sie lachend gluckste: „Das Cello ist viiiiiiiel zu groß für sie.“ Und dann etwas ernster hinzufügte: „Aber es scheint stimmig zu sein für sie!“

Ich weiß auch nicht mehr, was ich danach tat, ob ich zurück in den Garten ging, oder zum Zuhören blieb, oder in mein Zimmer ging. Nur an die Gummistiefelchen erinnere ich mich. Wie sie dort über den Clogs lagen, schief übereinander, mit dicken Erdklumpen an der Sohle. Und dass sie rot waren.

Und an meine erste Cellolehrerin, die ich bis heute verehre, obwohl sie gar keine Cellolehrerin war und wohl auch nur eine Schülerin hatte. Aber ich hab sie geliebt und deshalb auch das Cello lieb gewonnen.