Lebenslanges Lernen

Unterricht für Erwachsene: ermutigend, unterstützend, inspirierend

Hintergrund

Zu seiner Lehrtätigkeit sagt Pablo Casals: “Für das Reifen meines Musikertums war sie von großer Bedeutung. Ich habe nie zwischen Lehren und Lernen säuberlich scheiden können; die Trennlinie schien mir künstlich gezogen zu sein. Natürlich sollte ein Lehrer mehr von der Sache verstehen als sein Schüler, aber für mich ist Lehren gleichbedeutend mit Lernen. So hielt ich es an der Städtischen Musikschule in Barcelona, und bis heute hat sich daran nichts geändert.”

Es ist ein Segen, wenn man Menschen begegnet, die sich diese Haltung angeeignet haben. Ich wünsche mir sehr, darin eine Art „Urenkelin“ von Casals sein zu dürfen …

„Lebenslanges Lernen ist ein Teil meiner eigenen Identität.“

Lebenslanges Lernen ist ein Teil meiner eigenen Identität. Ich begreife es für mein Leben als einen Prozess, in dem ich mir etwas zu eigen mache. Insofern bedeutet „Lernen“ für mich, an einer entwicklungsorientierten Haltung mir selbst und der Welt gegenüber festzuhalten. Als Lehrende bin ich immer auch „Suchende“ und ich hoffe, dass man mir diese Haltung in meiner offenen und lebendigen Art und Weise des Herangehens an die Musik bzw. gegenüber Musikern und Musikerinnen abspürt.

Und: Lernen braucht Zeit und Ruhe. Es bedeutet auch, Widerstände überwinden zu wollen und die Bedingungen dafür möglichst gut zu gestalten. Menschen unterscheiden sich sehr darin, ob sie stöhnen und ängstlich sind, wenn neue Anforderungen auf sie zukommen, oder ob sie mit freudiger Neugier darauf zugehen. Etwa so, als ob sie sich eher wie ein Schwamm durchs Leben bewegen, der alles aufsaugt; oder eben wie ein imprägnierter Regenmantel. Regenmäntel unter erwachsenen Celloschülerinnen und Schülern gibt es wohl nur sehr wenige …

Wenn Ihnen also jemand erzählt, er sei heute Morgen aufgestanden und habe wie immer seinen Hut genommen, um den gewohnten Alltags-Tätigkeiten nachzugehen, bewahren Sie ein gesundes Misstrauen, treten Sie einen Schritt zurück und sagen Sie: „Ach ja? Also mir kann das nicht passieren, ich bin Cellist.“ Wenn er dann antwortet, er sei ja kein Stoffel, aber was denn das mit seiner Routine im Arbeitsleben zu tun hätte, lassen Sie sich von ihm auf einen Eierlikör einladen und erklären Sie ihm, wie es dazu kommt, dass Sie gelernt haben, für ihre Lebensqualität und ihre Lebenszufriedenheit in entspannter Form selbst zu sorgen. Und wenn er sagt, es sei ja schließlich nicht zu ändern, dass sein Alltag nun wirklich nichts mit den werbewirksam propagierten Freizeitbeschäftigungen zu tun hätte, die darüber hinaus als sinnstiftende Tätigkeiten verschrieen seien…, bewahren Sie einfach Ruhe! Behaupten Sie anschließend steif und fest, dass die lebenslange Beschäftigung mit Kunst und Musik als eine der friedlichsten Formen der „Auseinandersetzung mit der Welt“ sei. Und wenn er dann lacht und betonen will, dass die Einführung der Erwerbsarbeit schließlich nicht seine Idee gewesen sei, lassen Sie ihn ruhig lachen und fügen Sie schmunzelnd an, dass Ihnen das Musikmachen so viel Freude bereitet, weil Sie beim Cellospielen nicht nur nach musikalischen und technischen Fertigkeiten streben, sondern weil es um die Vermittlung von Werten ginge.

Sprechen Sie unverblümt aus, dass sie sich auf der Suche nach ihrer eigenen Kreativität selbst erführen und Sie dabei neue Ausdrucksmöglichkeiten fänden. Lassen Sie auch nicht unerwähnt, dass Sie auf der Suche nach einem Leben mit Werten um ihrer selbst Willen seien, dass schließlich Sie es seien, der mit dem Cellospielen dem Alltagsstress und der Technisierung unserer Lebenswelten etwas entgegenzusetzen hätte. Und wenn er weiter griesgrämig auf seiner Couch sitzt, die Nase rümpft und davon spricht, dass er Samstags grundsätzlich immer seinen Wagen wäscht und nebenbei gar keine Zeit für so einen Firlefanz hat, dann tun Sie ganz überrascht und halten ihm geduldig entgegen, dass er von seinem Schwamm noch eine Menge lernen kann!

Somit hoffe ich, dass Sie sich nicht hinter Ihrem Cello verstecken wollen wie in diesem Bild!

Gibt es für das Erlernen des Instrumentes eine Altersbegrenzung?

Und: die so häufig gestellte Frage hat sich hoffentlich erübrigt: Gibt es für das Erlernen des Instrumentes eine Altersbegrenzung? Natürlich gibt es sie für den beruflichen Weg, nicht aber für den von Musikliebhabern. Mein ältester Schüler begann sich mit 80 Jahren seinen alten Traum zu erfüllen. Mit keinem Erwachsenen habe ich mit so viel Freude und Begeisterung gearbeitet. Oft haben wir Bauchschmerzen vor Lachen gehabt! Natürlich muss man sich bewusst machen, dass es in der Motorik eine natürliche „Bremse“ gibt. Die Flexibilität der Muskeln und Gelenke ist deutlich geringer. Auf der anderen Seite hat man es sich als Erwachsener zu eigen gemacht, viel über den Verstand und den Intellekt zu lernen, insofern geht vieles schneller als bei Kindern.

Das ist das Beglückendste für mich: Ich lerne selbst so viel dabei, wenn sich zwei Erwachsene einer gemeinsamen Sache hingeben. Über mich, das Leben, darüber, wie sich das Vertrauen in die musikalische Selbstdarstellung verändert und wenn mir jemand sagt: „Ich war ganz wild auf diese neue Sonate“… dann steckt mich diese Motivation und der Eifer auch an und ich profitiere davon.

In der Arbeit mit Erwachsenen genieße ich es, mit autonomen Persönlichkeiten die Frage der Notwendigkeit des regelmäßigen Spielens nicht mehr zur Diskussion stellen zu müssen. Wenn meine erwachsenen SchülerInnen nicht geübt haben, sagen sie die Wahrheit (nicht: „Tommi hatte doch auf mein Hausaufgabenbuch gepieselt“ sondern: „Diese Woche wollte ich einfach nur im Garten krokeln!“).

Die Beziehung zwischen 2 Erwachsenen, die sich einer Sache widmen wird immer anders sein, tiefer gehen, als eine Beziehung zwischen einer erwachsenen Lehrerin und einem Kind oder einer Jugendlichen. Es ist ein Dialog zwischen PartnerInnen, ein gemeinsames Auf-dem-Weg-sein. Als Lehrende ist man vielleicht in einem Bereich ein ganz kleines Stück voraus… In anderen dagegen hinkt man nach!

Weiterlesen, was die Beschäftigung mit einem Musikinstrument im Allgemeinen und mit dem Violoncello im Besonderen für weitreichende Wirkungen haben kann oder warum Instrumentalunterricht auch in höherem Alter sinnvoll ist und den Umgang mit Herausforderungen unterstützt.